14. Oktober 2015: Zweigleisiges Stück der Pyhrnbahn bei Spital am Pyhrn wurde heute eröffnet

 

 

 

Aus der eingleisigen Pyhrnbahn wurde hier bei Spital am Pyhrn auf einer Länge von ca. 1,4 km ein zweigleisiger Abschnitt.


Mit großen Tönen heben die ÖBB hervor, welch großer Fortschritt bei Spital am Pyhrn mit der Errichtung eines ca. 1,4 Kilometer langen zweiten Gleises gelungen sei. Befasst man sich aber mit dem „Zielnetz 2025+“ der ÖBB, so erfährt man, was zwischen Kirchdorf und Selzthal wirklich vorgesehen ist, nämlich nichts, was Schnellzugtauglichkeit und somit Attraktivität bedeuten würde. Selbst die Fernreise-Relation Graz-Linz, deren Teil die Pyhrnbahn ist, gehört zu jenen Bahnverbindungen Österreichs, deren Bedeutung  von offizieller Seite leider als relativ gering eingestuft wird.

 

Der Flaschenhals dieser Bahnverbindung ist die 104 Kilometer lange Pyhrnbahn Linz-Selzthal. Nur der nördliche Teil dieser Bahnlinie (Linz-Rohr) wird durch ein durchgehendes zweites Gleis ertüchtigt, und der mittlere Teil (Rohr-Kirchdorf) wurde großteils ausgebaut (leider nur ein Teil zweigleisig). Aber im inneralpinen, 55 Kilometer langen Südabschnitt Kirchdorf-Selzthal sind laut „Zielnetz 2025+“ nur geringe Ausbauinvestitionen geplant. Hier wird weitgehend nur der bestehende 70-km/h-Linienverlauf erhalten, lediglich an drei Stellen sind Linienverflachungen und ein zweites Gleis vorgesehen. Ansonsten bleibt dieser Streckenabschnitt eingleisig und kurvenreich wie zu Kaisers Zeiten.


Man kann es nicht zulassen, dass für die Pyhrnbahn (rot) zwischen Kirchdorf und Selzthal außer ein neuer Bosrucktunnel nur drei zweigleisige Abschnitte geplant sind (wobei der kürzeste, nämlich der bei Spital am Pyhrn, soeben fertiggestellt wurde), während ansonsten die Strecke eingleisig und kurvenreich wie zu Kaisers Zeiten bleiben soll, also völlig untauglich für Schnellzugverkehr.  


Dass die ÖBB das „Zielnetz 2025+“ auch tatsächlich umsetzen, konnte man im Abschnitt Kirchdorf-Selzthal bei der Erneuerung der beiden Brücken über die Steyr (Klaus-Stausee) und über die Teichl in den Jahren 2013 und 2014 erleben. Statt auf diesem vier Kilometer langen Abschnitt, in dem sich die zwei Brücken befinden, Zweigleisigkeit vorzusehen und im Sinne von Schnellzugtauglichkeit deutliche Linienbegradigungen bzw. Bogenverflachungen vorzunehmen, wurden die beiden, 20 Millionen Euro teuren Brücken bloß eingleisig errichtet und lediglich in den 70-km/h-Bestand eingefügt. Eine teure Investition, die nichts bringt!  „Aber für den Güterverkehr reicht es“, kann man hören. Für den Personenverkehr sei massiver Ausbau nicht vertretbar, denn das Verlagerungspotenzial sei nicht gegeben. Dabei wird übersehen, dass auf der A 9 selbst im eher schwach frequentierten ASFINAG-Zählpunkt Spital/Pyhrn im August 2015 pro Tag durchschnittlich immerhin 22.524 Kfz. <=3,5 t gezählt wurden, an Samstagen sogar 31.024 solche Kfz. Tendenz steigend.


Rechts die neue Pyhrnbahn-Brücke über die Steyr (Klaus-Stausee) als Ersatz für die alte Stahl-Fachwerkbrücke (links). Statt im Sinne von Schnellzugtauglichkeit Begradigungen bzw. Bogenverflachungen vorzunehmen, wurde die neue Brücke einfach in die kurvenreiche 70-km/h-Linie eingefügt (Blick von der Bundesstraße 138 auf die Pyhrnbahn,  Blickrichtung SO auf den Falkenstein).


Man hätte sich mit der Erneuerung einer Brücke begnügen können, dafür aber in schnellzugtauglicher, zweigleisiger Ausführung. Das wäre ein erster Schritt in Richtung Attraktivität gewesen. Einige Jahre später hätte man sich der Erneuerung der zweiten Brücke widmen können. Aber leider haben sich Kurzsichtigkeit und Kleinkariertheit durchgesetzt. Es wurden Tatsachen in Beton gegossen, die nicht aufwärts kompatibel sind.

 

Würde diese halbherzige ÖBB-Vorgangsweise fortgesetzt, so würde künftig weder im Fernreiseverkehr noch im Regional- und Nahverkehr, der zwischen Kirchdorf und Selzthal schon heute große Taktlücken aufweist, eine Attraktivitätssteigerung möglich werden. Die Güterzüge müssten auch in Zukunft, weil ein durchgehendes zweites Gleis nicht vorhanden ist, immer wieder ausweichen und beim neuerlichen Beschleunigen den gesamten Energieeffizienz-Vorteil der Schiene vernichten.

 

Solche Halbheiten dürfen nicht mehr passieren! Deshalb ist ein Ausbauplan zu fordern, der Schnellzugtauglichkeit und Zweigleisigkeit vorsieht. Bei der Umsetzung dieses Planes kann man wegen des knappen Geldes in kleinen Schritten vorgehen (vornehmlich dort, wo sowieso Erneuerungen notwendig sind), aber jeder Schritt muss diesem Plan entsprechen.

 

Im topographisch schwierigeren Abschnitt Kirchdorf-Selzthal müssten die beiden Gleise nicht durchgehend parallel geführt werden, sondern sie könnten zum Teil auch getrennt verlaufen. Das heißt, das Bestandgleis könnte zum Teil im derzeitigen Linienverlauf belassen werden, und für das neu zu errichtende schnellzugtaugliche Gleis könnte eine gesonderte Linie für 160 km/h Spitzengeschwindigkeit errichtet werden. Durch diese Ausbauart wäre es möglich, dass das Schnellzuggleis um einige Kilometer kürzer wäre als das Bestandgleis. Es wären dafür natürlich einige Tunnels nötig, der Tunnelanteil wäre aber laut Untersuchungen immer noch deutlich kleiner als auf der parallelen Pyhrnautobahn A 9.

 

Dass die ÖBB betriebswirtschaftlich agieren, ist verständlich, ja legitim. Aus Sicht der ÖBB ist der durchgehend zweigleisige, schnellzugtaugliche Ausbau der Pyhrnbahn nicht notwendig bzw. nicht finanzierbar. Aber müsste die Gestaltung der Bahn-Infrastruktur nicht Sache der Politik sein? Ist es akzeptabel, dass Autobahnen auf Grund politischen Willens errichtet werden, während die Politik bezüglich Bahnausbau die Entscheidungen den ÖBB überlässt?

 

Bahnverbindung Graz-Linz muss wesentlich verbessert werden!

 

Man muss davon ausgehen, dass aus mehreren Gründen, vor allem wegen des Klimaschutzes, dem System Bahn immer größere Bedeutung zukommen wird. Was heute noch als nicht wirtschaftlich gilt, als nicht finanzierbar, als nicht notwendig, wird es in Zukunft sehr wohl sein.

 

Deshalb muss schon heute danach gestrebt werden, Ausbaupläne zur Steigerung der Attraktivität und Kapazität zu erstellen, damit das Energieeffizienz-Potenzial des Systems Eisenbahn immer besser genutzt werden kann. Vor allem ist es auch wichtig, sich der heute noch weniger beachteten Bahnlinien anzunehmen, vor allem jener, die nicht nur national, sondern auch europaweit Lebens- und Wirtschaftsräume verbinden und Regionen erschließen.

 

Eine solche Zukunfts-Achse ist die Pyhrn-Schober-Achse, die Graz und Linz verbindet. Diese Bahnlinie ist zugleich auch Teil europaweiter Verbindungen:

- Der nördliche Zulauf umfasst die Zulaufstrecke Rhein-Main-Donau (in Österreich unter „Passauer Bahn“ bekannt) und von der Ostsee über den Osten Deutschlands und über Tschechien (in Österreich die „Summerauer Bahn“).

- Der südliche Zulauf umfasst im Kern die Zulaufstrecke am Balkan mit Ästen zum Adriahafen Koper und nach Thessaloniki.  


Pyhrn-Schober-Achse mit Zulaufstrecken

Quelle: „Die Pyhrn-Schober-Achse. Bindeglied im wachsenden Europa“, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Juni 2011


Leider kann man mit dem Bahn-Angebot zwischen Graz und Linz, also zwischen der zweit- und drittgrößten Stadt Österreichs, absolut nicht zufrieden sein. Hier verkehren nur zwei durchgehende (umsteigefreie) IC-Zugpaare und brauchen noch dazu für diese Strecke unattraktive drei Stunden. Sie sind somit der Autobahn deutlich unterlegen, wo man mit dem PKW die Strecke Graz-Linz (225 km) in 2 1/4 Stunden schafft, nach Endausbau der A 9 in gut zwei Stunden. Auf Seiten der Bahn sieht das „Zielnetz 2025+“ leider nur eine Fahrzeitverkürzung auf 2 3/4 Stunden vor. Somit ist mit der Umsetzung des „Zielnetz 2025+“ keine deutliche Entschärfung dieses Qualitätsgefälles zu erwarten. Die Bahn würde weiterhin nicht mit dem PKW-Verkehr auf der Autobahn konkurrieren können.

 

Die Erfahrung zeigt: Erst wenn der Schnellzugverkehr so schnell ist wie die PKWs auf den Autobahnen – oder schneller (siehe Westbahnstrecke) – und dicht vertaktet ist, kann man damit rechnen, dass die Fahrgastzahlen deutlich steigen und somit die gewünschte Verkehrsverlagerung stattfindet. Um dies zu erreichen, muss die Fahrzeit der IC-Züge zwischen Graz und Linz langfristig um eine Stunde von derzeit drei auf zwei Stunden (mittelfristig auf 2 1/2 Stunden) verkürzt werden. Für den Nordteil dieser Relation, der 104 Kilometer langen Pyhrnbahn, bedeutet dies, dass die Fahrzeit von derzeit rund 1 1/2 Stunden um eine halbe Stunde reduziert werden muss. Das erfordert Mut und Weitblick. Aber nur mutiger, großzügiger Ausbau in kleinen Schritten generiert Nachfrage, ermöglicht Verlagerung zur Schiene und bringt langfristig auch steigende Einnahmen.