18. August 2016: Der öffentliche Verkehr ist wieder Diskussionsthema. Das ist gut!

 

 

In Salzburg machen verstopfte Straßen darauf aufmerksam, dass der öffentliche Verkehr deutlich verbessert werden müsste, z. B. durch die Errichtung des Regional-Stadtbahn-Tunnels. Kritisiert wird auch die Preiserhöhung bei den Salzburger Öffi-Tickets.

 

In Wels fordert eine Jugendgruppe im Rahmen ihrer Aktionswoche „Frei leben – frei fahren“ die kostenlose Öffi-Nutzung in ihrer Stadt.

 

Mit ihrer Forderung nach kostenloser Öffi-Nutzung schneidet die Jugendgruppe in Wels ein Thema an, das eigentlich ein Österreich-Thema sein müsste.

 

Wenn man wirklich will, dass mehr Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, dann muss man sich bezüglich Ticket-Tarife etwas einfallen lassen.

 

Vor allem der Klimaschutz schreit nach massivem Umstieg vom Auto zu den Öffis. Dazu müssen aber einerseits die Fahrpläne passen (Stunden-Takt als Minimum außerhalb der Städte, Bahn als Rückgrat des öffentlichen Verkehrs…), andererseits muss auch bezüglich Tarifgestaltung eine Weiterentwicklung im Sinne einer Vereinfachung und Vereinheitlichung stattfinden.  

 

Derzeit sind nur die Zeit-Strecken-Tickets (z. B. Monatskarte für eine bestimmte Strecke) und die Zeit-Zonen-Tickets (z. B. Monatskarte für eine bestimmte Stadt) akzeptabel. Für die „Streumobilität“ (Fahrten außerhalb der gewohnten Pendel-Strecken bzw. Pendel-Zonen) ist hingegen der Tarifdschungel abstoßend und stellt z. T. sogar ein Zugangs-Hindernis dar:

 

- Jede Stadt / jedes Bundesland ihre/seine eigenen Tarife.

 

- Die Vollpreis-Einzelfahrkarte ist unverschämt teuer.

 

- Die ÖBB-Netzkarte („ÖsterreichCard“), die ein Jahr lang zur Gratisnutzung des gesamten österreichischen Bahnnetzes berechtigt, ist mit 1719 Euro (ÖC Classic als teuerste Variante) nicht einladend.

 

- Die VC („VorteilsCard“) Classic und die VC <26 gelten nicht für Busse. Der Preis der VC Classic ist mit 99,- Euro zu hoch. Dass am Ticket-Schalter die VC nicht zum Halbpreis erhältlich ist, sondern nur mit 45 Prozent Ermäßigung, ist eine Schikane, die dem Image der ÖBB schadet.  

 

- Usw.

 

 

Problemlösungsvorschlag 1: Gratis-Öffis

 

Diese Forderung ist schon mehrere Jahrzehnte alt. Sogar Prominente schlossen sich ihr an. So bezeichnete z. B. Walter Boltz, ehemaliger Chef der E-Control, im Jahr 2011 den Nulltarif als „effiziente Maßnahme für das Energiesparen. Damit soll eine Verhaltensänderung ausgelöst werden, die aufgrund der bisher gesetzten Verkehrsmaßnahmen nicht schnell genug erreicht wird“ (Der Standard vom 11. 10. 2011). Durch die Gratisnutzung werden mit einem Schlag gleich mehrere Ziele erreicht und sämtliche Zugangsbarrieren beseitigt: Die lästige Ticketbeschaffung fällt weg – einfache und einheitliche Öffi-Nutzung in ganz Österreich.

 

Befürchtungen von Experten und Entscheidungsträgern:

- Die Dienste des öffentlichen Verkehrs würden weniger geschätzt. Denn „was nichts kostet, ist nichts wert“.

- Der Nulltarif käme der öffentlichen Hand zu teuer.

 

Vielleicht könnten Pilotprojekte klären, ob diese Befürchtungen zu Recht bestehen. Leider versteckt sich hinter solchen Befürchtungen nicht selten die Angst von Entscheidungsträgern, es könnten zu viele Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.

 

Zu den Befürchtungen, die Gratisnutzung käme der öffentlichen Hand zu teuer, sagt Walter Boltz (Der Standard vom 11. 10. 2011): „Es werden sowieso weniger als 30 Prozent der Kosten durch den Verkauf vom Tickets getragen. Mehr als 70 Prozent kommen aus dem öffentlichen Bereich.“

 

 

Problemlösungsvorschlag 2: Jahres-Abo für den öffentlichen Verkehr in ganz Österreich

 

a) VorteilsCard (VC): Die VC ist ein Halbpreis-Jahres-Abo. Wer dieses Abo besitzt, zahlt pro Ticket nur die Hälfte (bzw. nur 55 Prozent). Wenn man dieses Abo von den unangenehmen Beschränkungen befreit (siehe oben) und generell ein Junktim zwischen Streckenticket und Benutzung der Öffis in der zu erreichenden Stadtzone anbietet (kleiner Aufschlag auf den Preis des Streckentickets ermächtigt zur Nutzung der Stadt-Öffis für einen ganzen Tag), dann ist dieses Abo eine Möglichkeit, viele Autofahrer zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu gewinnen.

 

b) 365-Euro-Jahresticket: Dieses Abo, das es bisher nur im westlichsten Bundesland Vorarlberg gibt, würde zur Gratisnutzung sämtlicher öffentlicher Verkehrsmittel in ganz Österreich berechtigen. Vorarlberg ist seit 2014 mit diesem Abo Vorreiter. Es gilt für alle Öffis im gesamten Bundesland und brachte einen gigantischen Zuwachs, was selbst Verkehrsexperten überraschte. „Es ist kein Defizitgeschäft. Es rechnet sich entgegen den Annahmen“, betont der Vorarlberger Mobilitätslandesrat Johannes Rauch. „Wir haben höhere Einnahmen als zuvor.“ Jeder sechste Vorarlberger besaß Ende 2015 eine solche Jahreskarte.