4. Dezember 2015: Die Bahn – das zu wenig geachtete Klimaschutz-System

 

Just am Tag nach der Eröffnung der UN-Klimakonferenz in Paris ereignete sich auf der Semmeringbahn ein schwerer Güterzug-Unfall, der uns daran erinnern sollte, dass wir das Klimaschutz-System Bahn nicht vernachlässigen sollten.

 

Nach dem Unfall auf der Semmeringstrecke können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Tatsache ist, dass im Güterverkehr viel zu altes Wagenmaterial unterwegs ist. Es grenzt an ein Wunder, dass nicht mehr Unfälle passieren. Dieses Wagenmaterial ist außerdem Ursache für den Lärm, den die Güterzüge verursachen. Das heißt, die Güterzugwaggons brauchen eine Aufrüstung bezüglich Sicherheit und Lärmschutz. Warum gibt es diesbezüglich kein EU-weites Investitionsprogramm?

 

Apropos Lärmschutz: Hier wird seit Jahren falsch investiert. Statt die vorsintflutlichen Laufwerke der Güterwaggons durch moderne, lärmarme zu ersetzen (Scheibenbremsen, Antiblockiersysteme, Leichbauweise…), werden hässliche Lärmschutzwände errichtet, die auch viel kosten, aber an den Ursachen des Lärms nichts ändern.

Näheres zum Lärmschutz hier

 

Würden Österreichs und Europas Politiker die enorme Bedeutung des Systems Bahn für den Klimaschutz wirklich erkennen, so würden sie sich nicht nur für die Attraktivierung des Bahn-Personenverkehrs, sondern auch für die Modernisierung der Güterzugwaggons einsetzen und dafür sorgen, dass von Seiten der EU dafür Geld zur Verfügung gestellt wird. Es könnten vom „Europäischen Fonds für Strategische Investitionen“ („Juncker-Plan“) Gelder gezielt für diesen Zweck verwendet werden und damit die Wirtschaft in einem wichtigen Bereich durch sinnvolle, höchst notwendige Investitionen belebt werden. Ja, es könnte sogar der EZB-Chef, Mario Draghi, einen unkonventionellen Weg der Geldpolitik gehen, indem er sich nicht nur auf den Kauf von Anleihen konzentriert und somit eine Geldschwemme erzeugt, die sich irgendwohin ohne genaue Zielangabe ergießt, sondern er könnte – unter Umgehung des Verbotes der Staatsfinanzierung – gezielt und genau kontrolliert für Investitionen in öffentliche Bahn-Projekte nicht rückzahlbares Geld zur Verfügung stellen.

Genaueres dazu hier

 

Außergewöhnliche Probleme brauchen eben außergewöhnliche Maßnahmen: dringend nötige Klimaschutz-Maßnahmen, hohe Staatsverschuldung, hohe Arbeitslosigkeit, Deflationsgefahr, Flüchtlingsströme…

 

Im Klimaschutz-Sektor Eisenbahn, zumeist ein Sektor öffentlichen Eigentums, wartet unvorstellbar viel Arbeit darauf, endlich erledigt zu werden:   

 

Schienen-Infrastruktur -Ausbau des Bahnnetzes in ganz Österreich:

  • Errichtung neuer Bahnstrecken, wo offensichtliche Erreichbarkeitsdefizite bestehen.

  • Erhaltung/Modernisierung der Bahn-Infrastruktur in der Fläche: Bahn als Rückgrat des öffentlichen Verkehrs ÖV, und zwar auch im ländlichen Raum (statt Betriebseinstellungen und Streckenstilllegungen), Reparatur desolater Oberbau-Stellen („Langsamfahrstellen“).

  • Ausstattung der Bahnstationen mit ausreichend hohen Bahnsteigen (55 cm) und Zugänglichkeit für Behinderte (z. B. Rollstuhlfahrer).

  • Reduktion der extrem großen Zahl wenig gesicherter Bahnübergänge – und ausreichende Sicherung der verbleibenden durch Schranken und Ampeln bzw. Errichtung von Unter- und Überführungen.

  • Verflachung von engen Gleisbögen bzw. Begradigungen.

  • Elektrifizierung von „Dieselstrecken“.

  • Erneuerung von Bahnhöfen, Errichtung von P&R-Plätzen.

  • Zum Teil gibt es noch eingleisige, kurvenreiche Abschnitte auf Hauptstrecken. Hier müssen Pläne für durchgehende Zweigleisigkeit und Schnellzugtauglichkeit erstellt werden (mit dem PKW-Verkehr konkurrenzfähige Fahrzeiten, optimale Anordnung der Knoten.

  • Errichtung von Terminals für die Verladung von Containern auf die Bahn bzw. für die Rollende Landstraße.

  • Anschlussbahnen für die Güterverladung.


Rollmaterial:

  • Mindestens ein Niederflureinstig bei jedem Zug.

  • Energiesparende, komfortable Züge / Triebzüge.

  • Automatische Kupplungen bei allen Personenzügen. Diese Kupplungen müssen bei allen Fahrzeugen gleich sein (Kompatibilität).

  • Bahnlärmbekämpfung an den Ursachen: Ausstattung der Waggons mit modernen Laufwerken, vor allem der Güterzugwaggons (muss ein europaweites Programm sein).



Leider wird die Bedeutung der Bahn noch immer nicht erkannt

 

Wenn wir von E-Mobilität reden, meinen wir vor allem E-Autos und E-Fahrräder. Der Bahnverkehr ist uns hingegen vertraut, und wir registrieren gar nicht, dass in Österreich auf den elektrifizierten Strecken dieser Verkehr mit über 80% Wasserkraft-Strom die bereits vorhandene, umwelt- und klimafreundliche, hoch effiziente Struktur für E-Mobilität ist.

 

Die Bedeutung des Systems Bahn wird noch weiter zunehmen. Denn Energiewende heißt, dass bei den fossilen Energieträgern die Reduktion gegen null das Ziel ist und dass es deshalb bei den brennbaren Energieträgern zu einem massiven Rückgang kommen wird. Die Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Quellen wird hingegen expandieren.

 

Der Strom wird somit die energetische Hauptsäule des Verkehrs werden. Dieser Tatsache entspricht von allen Verkehrsträgern der Schienenverkehr am besten. Denn auf den elektrifizierten Schienenstrecken – auf Österreichs hochrangigem Bahnnetz zur Gänze – wird der Strom auf der Basis ausgereifter Technik fast direkt, also mit nur geringen Manipulationen effektiv in Antriebsenergie umgewandelt. Außerdem ist die Elektrifizierung von Diesel-Bahnstrecken – wenn die Politik es will – in relativ kurzer Zeit möglich.

 

Die elektrisch betriebene Bahn ist demnach ein Klimaschutz-System, wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird. Im elektrisch betriebenen Straßenverkehr ist hingegen nur indirekte Anwendung des Stroms möglich und daher wegen der Zwischenschritte (Auf- und Entladen von Batterien, Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff und Betrieb von Brennstoffzellen, Erzeugung von Solar-Treibstoffen…) mit größeren Energieverlusten verbunden. Die Umstellung des Straßenverkehrs auf E-Antrieb wird außerdem länger dauern.  

 

Energiewende heißt außerdem, dass der Gesamtenergieverbrauch durch mehr Effizienz und durch bewussteren Umgang mit Energie halbiert werden muss (was ohne Verlust an Lebensqualität möglich ist). Denn aus heutiger Sicht kann aus erneuerbaren Energiequellen (sozial und ökologisch verträglich) nur etwa die Hälfte des heutigen Gesamtenergiever-brauchs aufgebracht werden. Das heißt, die Energiewende ist nur gemeinsam mit einer Verkehrswende möglich: möglichst viel motorisierten Verkehr vermeiden; möglicht viel vom nicht vermeidbaren motorisierten Verkehr zum öffentlichen Verkehr bzw. zur Bahn verlagern.