8. Juli 2016: Wer sind die Bremser beim Klimaschutz?

 

Vor kurzem kritisierten die grüne Umweltsprecherin Christane Brunner und der Wifo-Chef Karl Aiginger die Bundesregierung, dass sie seit der Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 noch keine einzige Klimaschutz-Maßnahme beschlossen habe.

 

Diese Kritik ist berechtigt. Aber die Ursache für dieses Versäumnis liegt nicht nur bei der Regierung.

 

 

Es ist zwar so, dass politische Entscheidungsträger sich eher für den Ausbau des Systems Straße engagieren und weniger für die Verdichtung und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs und den Ausbau des Systems Schiene. Die meisten Politiker sehen keine Notwendigkeit, auch in dünn besiedelten Regionen irgendeine Art von öffentlichem Verkehrs anzubieten. Sie scheuen sich, eine höhere Besteuerung von fossilen Brenn- und Treibstoffen zu thematisieren. Man weiß sehr wohl, was notwendig wäre, um eine Klima-, Energie- und Verkehrswende zu erreichen – aber man tut es nicht. 

 

  • Das hat sicher damit zu tun, dass Politiker und politische Parteien sich Wahlen stellen müssen bzw. gewählt werden wollen und es gerne haben, dass Vorschriften bezüglich Klimaschutz eher von der EU-Kommission kommen, statt dass sie von ihnen selber beschlossen werden müssen (was unter andrem damit zu tun hat, dass die EU so unbeliebt wurde). Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, richtete anlässlich einer Pressekonferenz deutliche Worte in Richtung Politik und verurteilte deren Klimaschutz-Untätigkeit: Die nötigen Eingriffe, um bis 2050 total auf Kohle, Öl und Gas zu verzichten, „sind keine Kleinigkeit“, betonte er. Man müsse den Menschen schon jetzt sagen, was zu tun sei. 

 

  • Aber es gibt da auch jene Politiker, denen der Klimaschutz nach wie vor überhaupt kein Anliegen ist. Heftig kritisierte Wifo-Chef Aiginger die Klimaskeptiker im österreichischen Parlament, also jene Nationalratsabgeordneten, die Klimaschutzmaßnahmen ablehnen: Ohne die feste Überzeugung des österreichischen Parlaments, dass die Erderwärmung gestoppt werden könne, werde es nicht gehen. Aiginger schätzt, dass etwa ein Drittel der Nationalratsabgeordneten – vornehmlich im FPÖ-Klub – den wissenschaftlich längst bewiesenen Klimawandel immer noch abstreitet.

 

 

Nicht nur Politiker, sondern auch Sozialpartner, Lobbys, Konzernchefs und Aktionäre beeinflussen wesentlich die Klimapolitik:

 

  • Die grundsätzliche Einstellung der entscheidenden Personen zum Klimaschutz spielt eine wichtige Rolle: Setzen sie sich für den Klimaschutz intensiv ein oder nur halbherzig oder gar nicht – oder agieren sie vielleicht sogar als Bremser?

 

  • Sind die entscheidenden Personen grundsätzlich für den Klimaschutz, lehnen aber konkrete Maßnahmen ab (vor allem dann, wenn ihre eigene Klientel mit Einschränkungen zu rechnen hätte)?

 

 

Wie sehr bei Industrie-Chefs eine positive Klimaschutz-Grundeinstellung fehlt, zeigen die zwei folgenden Beispiele: 

 

  • Der einflussreiche voestalpine-Chef Wolfgang Eder lässt kaum eine Gelegenheit aus, die Umwelt- und Klimapolitik Österreichs und der EU zu kritisieren. Auch zuletzt konnte er es sich nicht verkneifen, eine spitze Bemerkung zu machen, als er bei der Aktionärsversammlung am 6. Juli im Design Center in Linz die vor der Fertigstellung befindliche Direktreduktionsanlage in Texas vorstellte. Seine Bemerkungen wurden von den Aktionären mit Applaus und Gelächter quittiert. „Es nützt nichts, wenn wir das sauberste Stahlwerk der Welt sind, wenn sich 99,9 Prozent der Mitbewerber nicht um Umweltauf-lagen kümmern brauchen.“ (Oberösterreichische Nachrichten vom 7. Juli)

 

  • Der Industrielle Klaus Pöttinger aus Grieskirchen ließ bei einer Diskussion mit dem oberösterreichischen Landesrat Rudi Anschober im Welser Bundesrealgymnasium Schauerstraße damit aufhorchen, dass der Klimawandel „per se für nichts Schlechtes“ gesehen werden solle. Die Angst davor sei maßlos überzogen. (…) Klimaschwankungen wären nichts Neues.“ (Oberösterreichische Nachrichten vom 8.Juli)    

 

 

Die Widerstände der Sozialpartner und anderer Lobbys gegen Klimaschutz-Maßnahmen im Bereich Verkehr sind enorm:

 

Der Verkehr trägt die Hauptschuld an der Energie-Auslandsabhängigkeit und ist Hauptverursacher der Treibhausgasemissionen. Warum ist es so schwierig, den Sektor Verkehr für den Klimaschutz zu gewinnen? Wahrscheinlich deshalb, weil es hier auch um Verhalten und um mächtige Lobbys geht.

 

Mit 34 Prozent ist der Verkehrssektor der größte Energiefresser. Aber dennoch werden die Autos immer leistungsstärker und schwerer. Fast 92 Prozent kommen in Form fossiler, also klimaschädlicher Energieträger zum Einsatz. Dennoch geht die Umstellung auf das E-Auto nur sehr schleppend voran. Die Verkehrsverlagerung zur Bahn wird wegen fehlender Kostenwahrheit behindert, obwohl das ÖBB-Netz zu ca. 70 Prozent elektrifiziert ist (vor allem das hochrangige Netz, das in der Regel auch das Güterverkehrsnetz ist) und dieser Teil mit über 80 Prozent Wasserkraft-Strom betrieben wird, also bereits bestehende Struktur für E-Mobilität ist.

 

Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung glauben, der Frächterlobby dienen zu müssen, und lehnen einerseits die Ausdehnung der LKW-Maut auf das gesamte Straßennetz ab (obwohl die Mautflüchtlinge ein großes Problem darstellen) und verweigern andererseits kategorisch die Mauterhöhung (obwohl die LKW-Maut in der Schweiz fast doppelt so hoch ist als bei uns, ohne dass sie Schweizer Wirtschaft Schaden erlitten hätte). Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, Arbeiterkammer, Autofahrerklubs und die meisten Politiker wehren sich gegen eine höhere Besteuerung fossiler Treibstoffe, obwohl man genau weiß, dass die Energie- und Verkehrswende wegen des Fehlens einer solchen Maßnahme und angesichts des niedrigen Ölpreises in manchen Bereichen bereits zum Stillstand gekommen ist.

 

Wir, der Verein Klimaschutz-Initiative, schlugen wiederholt vor – und zwar gemeinsam mit der Oö. Plattform Klima, Energie und Verkehr –, eine CO2-Abgabe auf fossile Brenn- und Treibstoffe einzuführen und die daraus resultierenden Einnahmen für die Senkung der Arbeitskosten, für Investitionen in den Klimaschutz und für sozialen Ausgleich zweckzubinden. (Link zur CO2-Abgabe: http://ksi.jimdo.com/aktivitäten/briefe-2013-2014-2015/)

 

In ähnlicher Form forderten das auch andere NGO’s. Auch Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes, spricht sich schon seit Jahren dafür aus (auch kürzlich wieder am 23. Juni), den Faktor Arbeit zu entlasten und dafür Energie- und Emissionssteuern schrittweise zu erhöhen. Gerade im Verkehrssektor wäre eine solche Umschichtung enorm wichtig.

 

 

So lange Parteienegoismus und Klientelpolitik den Ton angeben, wird es nie zu einer Ausweitung und Erhöhung der LKW-Maut kommen. Von der neoliberalen EU wird es kaum zu restriktiven Maßnahmen kommen, denn sie hat sich dem Wahn vom freien Warenverkehr verschrieben. Und zu einer Ökologisierung des Steuersystems (Stichwort CO2-Abgabe) wird es auch nicht kommen.

 

Dabei wäre aber die Bevölkerung bereit, Maßnahmen zu bejahen. Also was muss geschehen, damit dieser Stillstand überwunden werden kann?

 

 

Vorschlag: Wir brauchen in einigen EU-Ländern ein paar mutige Politiker aus allen politischen Parteien, die mit Umwelt- und Klimaschutz-NGO’s zusammenarbeiten und bezüglich Klimaschutz den interfraktionellen Konsens anstreben. In Zusammenarbeit mit den Medien (und wenn möglich mit einigen couragierten Wirtschafts-Bossen) müsste es dann bezüglich Klimaschutz eine Aufklärungskampagne geben. Wenn schließlich in der Bevölkerung genügend Aufgeschlossenheit herrscht, kann mit der Thematisierung der ersten Maßnahme begonnen werden. Volksabstimmungen könnten der Absicherung dienen.

 

Um ein kontinuierliches Weiterkommen beim Klimaschutz zu gewährleisten, ist Zusammenarbeit zwischen Parteien, Sozialpartnern und Medien unverzichtbar.

 

Als Absicherung wäre es denkbar, für den Klimaschutz die Möglichkeit zu schaffen, dass er im Konfliktfall aus der Parteienauseinandersetzung herausgehoben werden kann, indem ein demokratisch legitimiertes, unabhängiges Gremium konstituiert wird, das der Nachhaltigkeit verpflichtet ist und Entscheidungen treffen kann (dem Verfassungsgerichtshof vergleichbar).

 

 

Das sind Träume, Illusionen, Visionen. Was wir aber brauchen, sind Visionen!

 

Es gibt einen Lichtblick: Am 5. Juli stellte die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur Förderung von neu gegründeten Start-up-Unternehmen vor. Dabei wurde betont, dass die Förderung “innovativen Unternehmen“ zukommen soll. Um welche Unternehmen handelt es sich da? Es geht um fünf bis sieben Jahre alte Unternehmen, die in den Bereichen „Gesundheit, effiziente Energie, intelligenter integrierter Verkehr oder Klimaschutz“ tätig sind. (Salzburger Nachrichten vom 7. Juli) Diese selektive Förderung für Nachhaltigkeits-Unternehmen ist zu begrüßen.