Kernfusion - keineswegs so unproblematisch!

 

Die Sonne ist ein riesiger natürlicher Fusionsreaktor. Enormer Druck und extreme Hitze im Zentrum der Sonne sind Voraussetzungen dafür, dass - sehr vereinfacht dargestellt - Wasserstoffatomkerne zu Heliumatomkernen verschmelzen, wobei aus je zwei Wasserstoffatomen ein Heliumatom entsteht. Bei diesem Vorgang wird Wärme frei.


Seit Jahrzehnten bemühen sich Wissenschaftler und Techniker, diese Art der Energiegewinnung auch auf der Erde nachzuahmen. Gelungen ist eine künstliche Fusion mit positiver Energiebilanz allerdings nur unkontrolliert in der Wasserstoffbombe. Die kontrollierte Kernfusion in Fusionskraftwerken ist - das weiß man in Fachkreisen - mit ernormen Risiken verbunden.


Einst wurden in die Kernspaltung der heute üblichen Atomkraftwerke euphorische Erwartungen gesetzt. Von Gefahren sprach kaum jemand. Heute wird wieder derselbe Fehler begangen: Es wird so getan, als seien die Risiken der kontrollierten Kernfusion beherrschbar und unsere Energieprobleme mit dieser Technik ohne große Gefahren lösbar.


Deshalb soll hier auf einige Probleme und Risiken, die mit dem Betrieb von Kernfusionskraftwerken verbunden sind, hingewiesen werden:


- Die Kernfusion ist mit extremer Neutronenstrahlung verbunden. Deshalb muss der Reaktor mit einem Schutzmantel umgeben sein, der die Strahlung abfängt. Diese Strahlung schädigt aber das Material des Mantels und verursacht außerdem induzierte Radioaktivität. Daher müssen die Teile des Mantels in bestimmten Zeitabständen ausgetauscht werden. Das heißt, in Kernfusionskraftwerken entstehen ähnliche Problemstoffe wie in Kernspaltkraftwerken: hochaktiver Atommüll.


- Wasserstoff ist ein hochexplosives Gas. Die Wasserstoffatome sind die kleinsten Atome, die es gibt, und "schlüpfen" (diffundieren) daher in kleinen Mengen selbst durch dicke Stahlwände. So natürlich auch die radioaktiven Wasserstoffatome.


- Wasserstoff existiert in der Natur in Form von drei Isotopen. Zwei sind stabil: "normaler" Wasserstoff H1 (leichter Wasserstoff, "Protium", 99,985% Anteil am natürlichen Wasserstoff) und schwerer Wasserstoff H2 ("Deuterium" D, 0,015% Anteil am natürlichen Wasserstoff). Überschwerer Wasserstoff D3, auch "Tritium" (T) genannt, ist das dritte Isotop. Es ist instabil (radioaktiv) und kommt in der Natur nur in kleinsten Spuren vor (10-15 %). Im Fusionsreaktor hat man es mit Deuterium und Tritium zu tun. Tritium muss, weil es in der Natur praktisch nicht vorkommt, mit Hilfe der Neutronenstrahlung aus Lithium "erbrütet" werden. Tritium ist Beta-Strahler mit einer Halbwertszeit von 12,323 Jahren.


- Für das Gelingen der Kernfusion in einem Fusionsreaktor ist eine extrem hohe Temperatur Voraussetzung (über 100 Millionen Grad). Dass damit Probleme und Gefahren verbunden sind, bedarf wohl keiner Erläuterung. Im Innern der Sonne herrscht hingegen extremer Druck (350 Millionen Mal so groß wie in der Erdatmosphäre in Bodennähe), sodass die Kernfusion bereits bei 16 Millionen Grad stattfindet.


- Die Verwendung des Alkalimetalls Lithium, das in geschmolzenem Zustand zum Einsatz kommt, stellt ein weiteres Risiko dar. Aus Lithium wird - wie bereits erwähnt - Tritium erbrütet. Zugleich dient es aber auch als Mittel zum Transport der Hitze vom Reaktor zum Kessel ("Kühlmittel"). Dieses Metall ist äußerst reaktionsfreudig und darf daher auf keinen Fall mit Wasser in Berührung kommen (heftige Reaktionen, Brandgefahr).

 

"Die Sonne nachahmen", das klingt natürlich sehr verführerisch. Wenn Befürworter der Kernfusion zugeben, dass bezüglich der friedlichen Nutzung der Fusion noch entscheidende Fragen offen sind, so weckt das Wörtchen "noch" Hoffnung und rechtfertigt sozusagen großzügige staatliche Förderungen. Es wäre besser, die Finger von der Kernfusion zu lassen, sich somit eine Menge nachfolgender Sachzwänge zu ersparen und lieber in den Bereichen erneuerbare Energie und Energieeffizienz die Forschung großzügig zu fördern.