10. Dezember: Vom Umweltmusterland zum Klimaschutzversager

 

 

Verbrennung fossiler Brenn- und Treibstoffe heißt, dass sich als Verbrennungsprodukt das wichtigste Treibhausgas, das CO2, in der Atmosphäre anreichert.

 

Im Kyoto-Protokoll hat sich Österreich 1997 verpflichtet, gegenüber 1990 seinen Ausstoß von Kohlendioxid-Äquivalenten um 13 % zu senken. Das heißt, von ca. 78 Mio. Tonnen des Jahres 1990 auf einen Wert von ca. 68 Mio. Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente*)  zu kommen, also die Jahres-Treibhausgas-Emissionen um ca. 10 Mio. Tonnen zu reduzieren.

 

Aber der „Musterschüler“ Österreich emittierte 2008 bereits ca. 88 Mio. Tonnen Treibhausgas-Äquivalente, also um ca. 10 Mio. Tonnen mehr als 1990.

 

Hauptursachen: Der Verkehr (fast doppelt so viel Treibhausgase als 1990) und die Industrie (15 % mehr Treibhausgase als 1990)

 

Österreich gehört somit zu den ganz wenigen EU-Ländern, die das völkerrechtlich verbindliche Kyoto-Ziel verfehlen! Die Schmach gebührt den Umwelt- und Wirtschaftsministern der letzten zehn Jahre, die Rechnung zahlen Umwelt und Staatsbürger.

Dabei spricht alles für konsequenten und radikalen Klimaschutz, denn:

·         Der Klimawandel ist vermutlich die größte globale Bedrohung für Mensch und Umwelt.

·         Der Klimawandel ist – sowohl was dessen Ursachen, als auch dessen Konsequenzen betrifft – zutiefst ungerecht und vergrößert die sozialen Ungleichheiten. Einerseits wird der Klimawandel von den Wohlhabenden zu einem großen Anteil verursacht, während die Folgen für die Ärmeren am spürbarsten und dramatischsten sein werden; das trifft sowohl im globalen Maßstab zu als auch innerhalb der österreichischen Bevölkerung. Andererseits liegt die Ungerechtigkeit auch zwischen den Generationen. Zukünftige Generationen werden unter dem Klimawandel mehr leiden als die Verursacher.

·         Klimaschutz schafft zahlreiche „Green-Jobs“.

·         Konsequenter Klimaschutz veranlasst die Wirtschaft zu einer zukunftsfähigen Arbeitsweise und verschafft ihr damit langfristig einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil (z.B. durch geringere Ölabhängigkeit).

Als Ersatz für das Nichterreichen des völkerrechtlich verbindlichen Kyoto-Zieles wird Österreich für rund eine halbe Milliarde Euro Verschmutzungsrechte aufkaufen müssen – von Ländern, die mit diesem Geld in erneuerbare Energien investieren (z.B. China und Indien).

 

Diese halbe Milliarde an Steuergeldern wird buchstäblich für heiße Luft verwendet, ohne dass hierzulande auch nur ein einziger Arbeitsplatz geschaffen oder eine Klimaschutzmaßnahme umgesetzt wird. Die bittere Ironie daran: Hätte man dieses Geld innerhalb der vergangenen fünfzehn Jahre tatsächlich für Klimaschutz in Österreich ausgegeben, könnte Österreich das Kyoto-Ziel mühelos erreichen. So aber wurden die entscheidenden Weichenstellungen hin zu einer klimafreundlichen Wirtschafts-, Energie- und Verkehrspolitik verschlafen. Die Verantwortung für dieses Versagen tragen die Umweltminister, Wirtschaftsminister und Regierungen der letzten Jahre.

Wir fordern eine Klimaschutzpolitik, die auch diesen Namen verdient.

 

Grundlinien:

Ø       Weg von fossilen Brenn- und Treibstoffen und von Fossil- und Atomstrom.

Ø       Weg von Verschwendung.

Ø       Hin zu erneuerbaren Energien durch wesentlich höhere Förderungen, vor allem auch für die Photovoltaik.

Ø       Hin zu Energie- und Verkehrseffizienz und zu bewusstem, intelligentem Umgang mit Energie. Ziel: Gleiche Energiedienstleistungen mit halbem Energieeinsatz.

Ø       Staatlich geregelt Ressourcen (Energie, Rohstoffe…) verteuern, dafür Arbeitskosten (Lehnnebenkosten) senken: Schrittweise steigende Abgabe auf fossile Energien und auf Fossil- und Atomstrom. So wird Energie generell teurer. Energieeffizienz und Energiesparen gewinnen dadurch immer mehr an Bedeutung.

Ø       Durch geringeren Verbrauch an Heizmaterial, Strom und Treibstoff die Energieverteuerung ausgleichen (trotz teurerer kWh kein Anstieg der Ausgaben für Energie).

Ø       Durch aktiven Klimaschutz wird auch die Energieversorgung gesichert, und die Auslandsabhängigkeit wird verringert.

 

Forderungen an die Politiker:

 

·         Die Politiker müssen endlich zur Sache kommen:

-    Den von Menschen gemachten Klimawandel als Unrecht bezeichnen.

-    Die Dringlichkeit des Klimaschutzes betonen.

-    Ziele festlegen (Klimaschutzgesetz …).

-    An jede/n Bürger/in und an jeden Betrieb appellieren, Klimaschutzschritte zu tun.

-    Die Politiker müssen mit gutem Beispiel vorangehen.

-    Die Politiker müssen den Mut zu wirksamen Maßnahmen aufbringen.

 

Wirksame Maßnahmen heißt, sowohl „Zuckerbrot“ als auch „Peitsche“:

 

-    Das Notwendige populär und möglich machen: Information, Motivation, Beratung und Aktionen.

-    Ökologisch lenkende Anreize setzen (vor allem finanzieller Natur, z.B. Förderungen).

-    Ökologisierung des Steuersystems und der Infrastruktur-Gebühren (ökologische Lenkung, ökologische Umschichtungen, Kostenwahrheit, Beseitigung bzw. Änderung falsch lenkender Verpflichtungen und Unterstützungsmaßnahmen). 

-    Festlegung von verpflichtenden Zielen und Standards (gesamtstaatlich) bei ausreichend langen Übergangsfristen und unter Zuhilfenahme von Förderungen und Beratung.

 

Machen wir uns nichts vor: Anreize und Freiwilligkeit reichen nicht aus. Wir brauchen auch Druck und Verpflichtungen. Geben wir uns keiner Täuschung hin! Nur die staatlich gelenkte schrittweise Verteuerung der Energie und des Verkehrs erzeugt den nötigen Effizienz- und Spardruck bei Energie und im Verkehr.

 

·         Flächendeckende Energie- und Mobilitätsberatung:

-    Engagierte und kompetente BeraterInnen in jeder Gemeinde.

-    Ausbildungs-Offensive für BeraterInnen.

-    Beratung über dem Weg der Medien.

-    Aktionen.

Vor allem Ärmere brauchen Beratung und Förderungen für neue Geräte, damit sie die Energieverteuerung durch mehr Energieeffizienz ausgleichen können.

 

·         Fossile Energieträger und Fossil- und Atomstrom mit einer Abgabe belasten und diese Abgabe über einen längeren Zeitraum jährlich in kleinen Schritten anheben, damit beim Umstieg auf erneuerbare Energien und auf Energie- und Verkehrseffizienz etwas weiter geht. Die daraus resultierenden Einnahmen sind für die Senkung der Arbeitskosten zu verwenden. Erneuerbare Energien können sich nur dann durchsetzen, wenn fossile Brenn- und Treibstoffe und Fossil- und Atomstromimporte mit einer steigenden Abgabe belastet werden.

 

·         Erneuerbare Energien wesentlich höher als bisher fördern:

-    Großzügige Investitionsförderungen.

-    Großzügiges Ökostromgesetz.

-    Beides auch für die Photovoltaik (wir brauchen die Nutzung aller erneuerbaren Energiequellen, auch die der teureren).

-    Auch die Industrie voll in die Pflicht nehmen.

Das derzeitige Ökostromgesetz ist eine Farce.

 

·         Industriebetriebe sollen statt Schonung beim Ökostromzuschlag Förderungen für die Steigerung der Energieeffizienz erhalten. So kommen ihnen die steigenden Ausgaben für Energie wieder zurück.

 

·         Sanierungsrate im Wohnbausektor wesentlich erhöhen (Förderungsrahmen stark erweitern).

 

·         Hocheffiziente Kraft-Wärme-Technologien fördern. So ist es z.B. wesentlich intelligenter und energieeffizienter, in der Heizperiode die Biomasse nicht nur für die Wärmeerzeugung zu verbrennen, sondern damit gleichzeitig auch Strom zu erzeugen (Kraft-Wärme-Kopplung). In der warmen Jahreszeit Biomasse zu verstromen ist Unsinn, denn es entsteht Abwärme zu einer Zeit, in der eigentlich die Sonne für die Niedertemperatur-Wärme zuständig ist.

 

·         Investitionen in die Energieeffizienz und in erneuerbare Energien müssen im Inland stattfinden. Wir brauchen keinen fragwürdigen Zertifikatshandel, sondern hier in Österreich eine 40%ige Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020.   

 

·         Problembereich Verkehr (Der Verkehr ist der größte Klimasünder. Die Emissionen aus dem Verkehr haben sich seit 1990 fast verdoppelt).

 

Halbierung des Energieverbrauches im Verkehr:

-    Durch technische Verbesserungen im Fahrzeugsektor. Elektroantrieb.

-    Durch Vermeidung von motorisiertem Verkehr (mehr zu Fuß, mehr mit dem Fahrrad).

-    Durch Verkehrsverlagerung zu verträglicheren Verkehrsmitteln im motorisierten Verkehr.

 

Maßnahmen:

 

-    Bahnausbau und flächendeckendes öffentliches Verkehrsangebot (auch als Alternative zur teurer werdenden Autonutzung). Dabei soll das System Bahn das Rückgrat bilden. Taktverkehr österreichweit. Rufsysteme außerhalb der Hauptverkehrszeiten in dünn besiedelten Gegenden abseits von Bahnlinien.
 

-    Nicht Ausdünnung, sondern Erhaltung der Bahn in der Fläche, indem Regionalbahnen attraktiviert und reaktiviert werden.
 

-    Radikale Vereinfachung des Tarifsystems im öffentlichen Verkehr. Eine vorstellbare Option wäre eine Solidarabgabe für den öffentlichen Verkehr durch alle Einkommensbezieher und die Gratisbenutzung der öffentlichen Verkehrsmittel.

-    Gegen den Tanktourismus: Die Mineralölsteuer soll schrittweise so weit erhöht werden, bis die Treibstoffpreise in Österreich an jene von Deutschland und Italien angeglichen sind**).

Die zusätzlichen Einnahmen sind für den öffentlichen Verkehr zu verwenden.

-    Variabilisierung der Kosten im Autoverkehr, das heißt Umlegung der jährlichen Fixkosten (Kfz-Steuer, Versicherungen) auf den gefahrenen Kilometer oder auf den verbrauchten Liter Treibstoff.

-    LKW-Maut auf allen Straßen, nicht nur auf dem hochrangigen Straßennetz.

-    Reform von Pendlerpauschale und Kilometergeld.
 

-    EU-weite Besteuerung von Kerosin (Flugzeugtreibstoff).

 

 

·         Größte Anstrengungen, doch noch wenigstens das Kyoto-Ziel zu erreichen. Denn wir müssen ja schon weiter denken und planen: Bis 2020 muss Österreich im Rahmen des EU-Programms „20-20-20“ bei den erneuerbaren Energien auf 34 % kommen. NGOs betonen, dass bis 2020 40 % erreichbar wären.

 

 

Österreichs Bevölkerung ist bereit, für den Klimaschutz mehr zu tun, als Politik und Wirtschaft es zulassen.

 

Der Bevölkerung kann viel zugetraut werden, denn sie ist z. T. mit ihrem Denken schon viel weiter als die Politiker.

 

 

*) Erklärung zu „Kohlendioxid-Äquivalenten“: Die verschiedenen Treibhausgase haben unterschiedliche Potenziale bei der Erderwärmung (So wird z.B. Methan, der Hauptbestandteil des Erdgases, in weit kleineren Mengen als Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben, ist aber um das 21-fache klimawirksamer als Kohlendioxid). Die Treibhauswirkung wird daher auf ein einheitliches Maß, die so genannte Kohlendioxid-Äquivalente, umgerechnet.

 

**) Etwa ein Drittel der Treibhausgase im Verkehrssektor stammt vom Tanktourismus, denn seit 10 Jahren sind die Preise an den Zapfsäulen Österreichs niedriger als in den umliegenden Ländern – ausgenommen Slowenien.