3. Dezember: Was sagen Entscheidungsträger und Experten zur bevorstehenden österreichischen Klimaschutz-Blamage in Kopenhagen?

 

(Auszug aus der Radiosendung „Journal-Panorama“ auf Ö1 vom 3. 12. 2009 (18.25 - 18.55 Uhr) mit dem Titel „Wie ernst nimmt Österreich den Klimaschutz?“, Gestaltung: Cornelia Krebs)

 

 

Wenige Tage vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen stellen sich Experten und Politiker die Frage, ob hierzulande genug für ein sauberes Klima getan wird. Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt: Nein. Viel wertvolle Zeit ist ungenutzt verstrichen.

 

Bei sauberer Energie und bei der Umweltpolitik sieht sich Österreich gerne als Vorreiter. Klimaexperten haben allerdings das Scheitern der österreichischen Klimapolitik vorausgesagt.

 

Umso verschnupfter reagieren Politik und Wirtschaft: Die Kyoto-Ziele – so heißt es jetzt – seien wohl zu ambitioniert gewesen.

 

 

Markus Beyrer (Generalsekretär der Industriellenvereinigung):

 

„Österreich hat sich beim Klimaschutz immer als ein Land hervorgetan, das den Klimaschutz sehr ernst nimmt. Umso ärgerlicher ist es, dass wir uns teilweise in der internationalen Betrachtung zu Schlusslichtern machen, was wir nicht sind. Wenn man sich das Ganze nach objektiven Kriterien ansieht, nämlich bei den CO2-Emissionen nach Kaufkraftparitäten, sind wir von den EU-27 sogar die Drittbesten.“

 

Helga Kromp-Kolb (Klimaexpertin an der BOKU Wien):

 

„Viele Menschen nehmen den Klimaschutz sehr ernst. Leider sind solche Menschen nicht unter den Politikern.“

 

Statt dessen werde überlegt, wie man die nach Meinung der Politiker sicher steigenden CO2-Emissionen loswerden könnte. Die unterirdische Speicherung von CO2 (CCS = Carbon Capture in Storage) sei keine nachhaltige Lösung.

 

„Rein technische Lösungen führen nicht dorthin, wohin wir kommen müssen. Wir müssen beim Lebensstil ansetzen. (…) Der Lebensstil wird derzeit von der Wirtschaft getrieben, von der Werbung. (…) Wir müssen wegkommen von einer Wirtschaft, die ihr Heil in immer mehr Konsum sucht.“

 

Auf die Frage, ob das Klima überhaupt noch zu retten sei, antwortet Helga Kromp-Kolb:

 

„Die Frage, ob es sich ausgeht, habe ich aufgehört, mir zu stellen. Ich sehe nur, dass jeder gefragt ist, alles dranzusetzen, alles zu tun, was er oder sie kann, um zu erreichen, dass es sich ausgeht. (…) Ob wir´s schaffen oder nicht, ist Spekulation. Ich bin überzeugt, dass die Menschen, wenn sie sich einmal entschlossen haben, dafür zu sorgen, dass es sich ausgeht, dass sie dann zu ungeheuren Leistungen in der Lage sind, zu ungeheuer raschen Veränderungen. Es geht darum, dass wir genügend Menschen überzeugen, dass es wirklich notwendig ist und dass es sich lohnt, sich dafür einzusetzen.“ 

 

Stephan Schleicher (Klimaexperte an der UNI Graz):

 

„Auf politischer Ebene haben wir seit dem Beschluss des Kyoto-Protokolls 1997 extrem wenig über Klimapolitik gehört. Das Wort Kyoto komm kaum im Vokabular der Spitzenpolitiker vor.“

 

Das Kyoto-Ziel minus 13 % sei keineswegs zu hoch gewesen. Denn 1997 habe es sogar eine fallende Tendenz bei den Klimagasen gegeben.

 

Originelle Ideen zur Erreichung des Kyoto-Zieles gäbe es genügend. Die Erfüllung des Kyoto-Zieles wäre möglich. Aber es fehle bei den Politikern das Interesse.

 

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner:

 

„Momentan haben wir bei uns in Österreich eine Hysterie, wie wenn Österreich im CO2-Bereich furchtbare Emissionen hätte. Tatsache ist, dass wir da am drittgünstigsten in ganz Europa liegen.“

 

Dass Mitterlehner nicht so recht an die Gefährlichkeit des Klimawandels glaubt, zeigt seine Antwort auf die Frage, was er zur neuesten Klimastudie (bis zum Jahr 2100 globale Durchschnittserwärmung um bis zu 7oC möglich) zu sagen habe: „Wir müssen schon sehen, was sich da alles ergibt im Bereich der ganzen Darstellungen. Es handelt sich doch um Simulationen. Es gibt auch namhafte Forscher, die andere Thesen verbreiten. Daher muss man auch dort die Entwicklung seriös abschätzen und nicht von einem Tag auf den anderen von 2oC auf 7oC gehen und Ähnliches.“

 

Dazu Helga Kromp-Kolb:

 

Sie meint zu Mitterlehners Zweifeln: „Politiker haben die Möglichkeit, sich bei den besten Fachleuten international zu informieren. Sie haben keine Ausrede, wenn sie wegen Zweifeln nicht handeln.“

 

Dazu auch Stefan Schleicher:

 

Er hat für Zweifeln nicht viel übrig und verweist auf das Stichwort Energiesicherheit: „Ich habe Verständnis dafür, dass für manche der Klimawandel viel zu weit weg ist (…). Aber ich verweise kann auf andere Argumente. Vordergründig ist für mich, dass Europa sich aus der Umklammerung von Russland (…) befreien soll. Das gilt auch für die sehr unangenehme Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus fast allen anderen Weltgegenden. Überall, wo es Öl gibt, gibt es früher oder später Kriege. (…) Und wenn ich jetzt noch überlege, welche attraktive, ökologische Möglichkeiten es bereits gibt, um aus dieser Öl- und Gasabhängigkeit auszusteigen, dann sehe ich eigentlich keinen Grund, warum wir das nicht tun sollen.“

 

Umweltminister Nikolaus Berlakowich:

 

Das Ökostromgesetz sei immer Gegenstand heißer Diskussionen gewesen. Es gebe Widerstand von Seiten der Industrie und der Arbeiterkammer wegen des Ökostromzuschlages. Notwendig sei ein Bundesklimaschutzgesetz, das zwar seit längerem verhandelt werde, aber immer wieder daran scheitere, dass manche Bundesländer keine Verantwortung übernehmen wollen.

Bezüglich Ökostrom-Einspeisetarif schiebt er dem Wirtschaftsminister den Schwarzen Peter zu, denn dieser sei für den Ökostrom zuständig. Der Wirtschaftsminister erlasse die Einspeisetarif-Verordnung – im Einvernehmen mit dem Umwelt-, Landwirtschafts- und Sozialminister.

 

Dazu Hans Niessl (Landeshauptmann vom Burgenland):

 

Der Umweltminister zeichne sich durch Untätigkeit aus. Er solle sich nicht auf die Bundesländer ausreden, denn die setzen mehr Aktivitäten als der Umweltminister. Sein Bundesland sei bestes Beispiel dafür: Bis vor 12 Jahren habe man keinen eigenen Strom erzeugt. Heute stamme der Strom für das Burgenland zu 60 % von erneuerbaren Energiequellen (50 % Wind, 10 % Biomasse). Bis 2013 könnten es 100 % sein, wenn die Einspeisetarife entsprächen.

 

Stefan Hansch (IG Windkraft):

 

Österreich habe noch nicht erkannt, worum es gehe. Man sehe nur eine Hürde, wo investiert werden müsse und Kosten entstünden, man sehe aber nicht die Chancen und Notwendigkeiten.

 

„Wenige Zehntel Cent entscheiden, ob sich Windparks rechnen oder nicht. Wir brauchen in Österreich Rahmenbedingungen wie im übrigen Europa, wo das Niveau bei 9,8 Cent liegt.“

 

Viele Projekte würden wegen der in Österreich niedrigen Einspeiseförderung im Ausland verwirklicht. In Rumänien bekomme man für die KWh Windstrom 12 Cent. In den USA gebe es eine 30 %ige Investitionsförderung und dazu noch 8 bis 9 Cent für die kWh Windstrom.

 

Dazu Mitterlehner:

 

Er lasse sich nicht drängen. Er habe kein Verständnis für die Wünsche der Windenergie-Branche.

 

Industriellenvereinigung:

 

Anlässlich der Kopenhagener Klimakonferenz warnte die Industriellenvereinigung vor ihrer Meinung nach „unrealistischen Vorgaben“, mit denen eine Abwanderung österreichischer Industrieproduktionen ins Ausland erzwungen werden könnte.

 

Nach Markus Beyrer ist das österreichische Ökostromgesetz das zweitteuerste in Europa. Die Industrie schütze übrigens das Klima aktiv. Österreichs Industrie gehöre zu den energieeffizientesten der Welt. Jede Tonne Stahl, die in Österreich erzeugt werde, sei gut für das Klima. Die Industrie habe ihre Hausaufgaben gemacht, sich vom CO2-Ausstoß entkoppelt. In der Industrie seien die CO2-Emissionen eben nur auf eine bestimmte Menge reduzierbar.

 

Peter Molnar (Klimabündnis Österreich):

 

Zwischen 2003 und 2006 habe es in Österreich ein Ökostromgesetz gegeben, das bei Ökoenergie einen Aufbruch ermöglicht habe. Es sei unverständlich, wie es einer Lobby gelingen konnte, dieses Ökostromgesetz zu kippen und den Ökoenergie-Aufbruch zu stoppen.

 

Österreich Bevölkerung sei bereit, für den Klimaschutz mehr zu tun, als Politik und Wirtschaft es zulassen.

 

„Bis 2020 kann Österreich 80 bis 90 % des Stroms mit erneuerbaren Energiequellen erzeugen, wenn wir eine gute Ausgangslage haben. Aber da müssen wirklich die großen Würfe her.“

 

Walter Vadasz (Bürgermeister der Gemeinde Güssing):

 

„Kein vernünftiger Mensch zweifelt heute mehr am Klimawandel. Die Frage ist nur, wie rasch kommt er und wie dramatisch wird er. Alle Anzeichen, die wir jetzt haben, sprechen dafür dass er sehr dramatisch wird. Wer heute noch den Klimawandel in Zweifel zieht, steckt den Kopf in den Sand.“