10. Jänner 2010: ÖBB – Weichenstellung in die Zukunft oder aufs Abstellgleis?

 

Die Bahn – ein Klimaschutz-System

 

Die Bahn ist auf der Basis von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und energieeffizienter Gesamt-Umwandlungskette nicht nur irgend ein Anbieter von Verkehrsdienstleistungen auf dem Mobilitätsmarkt, sondern im Sinne des Klimaschutzes eine absolute Notwendigkeit – ein Klimaschutz-System.

 

In der Verlagerung von motorisiertem Verkehr von der Straße (und vom kontinentalen Flugverkehr) auf die Schiene liegt eine wesentliche Möglichkeit, im Verkehrssektor Energie einzusparen. Daher muss beim System Bahn die Kapazität stark ausgeweitet werden und die Angebotsqualität deutlich angehoben werden.

 

Die Bahn – ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge

 

Die Bahn ist Rückgrat des öffentlichen Verkehrs (ÖV). Für eine bestimmte Gruppe der Bevölkerung ist Mobilität nur auf der Basis des ÖV möglich. Außerdem ist davon auszugehen, dass Treibstoff wieder teuer wird, teurer als 2008. Deshalb muss die Politik dafür sorgen, dass die Bahn nicht nur auf einigen Strecken (Westbahn, Südbahn …), sondern in ganz Österreich das Rückgrat eines attraktiven ÖV werden kann.

 

Damit die Bahn (und der ÖV insgesamt) in der Zeit der steigenden Treibstoffpreise den wachsenden Andrang verkraften kann, müssen schon jetzt laufend die nötigen Planungen, Bestellungen und Investitionen getätigt werden.

 

Derzeitige Entwicklungen beim Bahn-Angebot entsprechen nicht der Bedeutung der Bahn  

 

Wo nur mehr der Sparstift regiert, da kann nichts Positives entstehen. Ein Herunterfahren von Kapazitäten auf der Schiene bis hin zu Streckenschließungen und Ersatzverkehren mit LKW und Bussen weist nicht wirklich in Richtung mehr Schiene.

 

Zwei Negativ-Beispiele vom Bahn-Personenverkehr:Die ÖBB planten, auch die restlichen zwei Schnellzüge Linz-Graz durch Busse zu ersetzen, statt durch besseres Angebot und professionelles Marketing Autofahrer (Pyhrnautobahn) für den Umstieg auf die Bahn zu gewinnen. Auf der Donauuferbahn stellten die ÖBB den durchgehenden Bahnverkehr zwischen Linz bzw. St.Valentin und Krems einfach ein; sie verstehen es nicht, die Schönheiten des Donautals und seiner Sehenswürdigkeiten zu vermarkten und somit für Verkehrsverlagerung von der Donau-Bundesstraße B 3 auf die Donauuferbahnstrecke zu sorgen.

 

Ein Negativ-Beispiel beim Güterverkehr: Der Bahnexpress, also der Stückguttransport auf der Schiene, wurde in der Steiermark auf 14.000 private LKW verlagert. Fragt sich nur, ab wann Kunden des Bahngütertransports LKW-Maut verrechnet bekommen.

 

Personaleinsparung: Die ÖBB begehen auch den Fehler, Personal an wichtigen Stellen abzuziehen. So gibt es z.B. Personalkürzungen im Bereich Beschwerdemanagement.

 

 

Die Schuld liegt nicht nur bei den ÖBB 

 

Dass es bei den ÖBB Missstände gibt und dass das ÖBB-Management für massive Fehler  verantwortlich ist, ist keine Frage.

 

Aber es gibt auch Probleme und Belastungen der ÖBB, die nicht von den ÖBB verursacht wurden.

 

Belastung 1: Die ÖBB wurden durch die politisch gewollte Bahnreform 2003 (Umsetzung 2005) in mehrere Teilgesellschaften aufgeteilt, was u. a. zu enormen Abstimmungsproblemen führt. Wenn z.B. die für den Ausbau der Infrastruktur zuständige ÖBB-Infrastruktur-Bau-AG bei der konkreten Bauabwicklung nur die eigenen Kosten minimiert, aber die Folgen für die ÖBB-Personenverkehrs-AG und für die ÖBB-Güterverkehrs-AG (Baustellen, Ersatzverkehre…) nicht einkalkuliert, so kommt es nicht nur zu Zugverspätungen, zu Chaos im anschließenden ÖV und zu Unmut bei den Fahrgästen, sondern auch zu Mehrkosten beim Personen- und Güterverkehr.

 

Belastung 2: Es gibt leider Unterschiede in der öffentlichen Wahrnehmung und politischen Darstellung der Infrastruktur-Finanzierung. Obwohl Schienen- und Straßeninfrastruktur öffentliches Eigentum mit notwendigerweise öffentlicher Finanzierung sind, wird das Bahnnetz (ca. 6.270 km) in den Medien und z. T. auch in der Politik als System dargestellt, das den Bund (den Steuerzahler) mit enormen Kosten belastet und noch dazu hoch verschuldet ist.

Beim System Straße (ca. 107.000 km) nimmt die öffentliche Meinung hingegen nur von der Asfinag-Verschuldung des hochrangigen Straßennetzes Notiz (Autobahnen, Schnellstraßen, ca. 2.100 km Länge, das sind kaum 2 % des gesamten Straßennetzes). Der Ausbau dieses hochrangigen Netzes wird kaum in Frage gestellt. Über Neubau- und Erhaltungskosten für das übrige Straßennetz wird überhaupt nicht gesprochen. Seriöse Zahlen über die Kosten des übrigen Straßennetzes sind de facto nicht zu haben.

In der Zeitspanne 2009-2014 investiert das Verkehrsministerium 13,9 Mrd. Euro in Bahnprojekte und 8,6 Mrd. Euro in Autobahn- und Schnellstraßenprojekte. Die Politik rühmt sich, 60 % für die Bahn, also für Umwelt, Gesundheit und Klimaschutz zu verwenden und nur 40 % für das hochrangige Straßennetz. Aber Autobahnen und Schnellstraßen sind – wie oben erwähnt – nur ein kleiner Teil des Straßennetzes. Die wirklichen Kosten des gesamten Straßennetzes liegen weit höher als die des Bahnnetzes.

  

Belastung 3: Die ÖBB müssen sich verschulden, denn die staatlichen Zuwendungen reichen nicht aus, um das Schienen-Ausbauprogramm zu finanzieren. Das heißt, für den Schienen-Ausbau muss vom Finanzmarkt Geld ausgeborgt werden. Noch dazu scheinen seit der Bahnreform 2003 die Investitionen in die Bahn-Infrastruktur aus finanztechnischen Gründen in der ÖBB-Bilanz auf – somit auch die Schulden. Deshalb ist der wachsende Schuldenberg nicht nur eine schreckliche Belastung (Zinsen!), die den Gestaltungsspielraum der ÖBB enorm einengt, sondern versetzt dem ohnehin schlechten Image der Bahn einen weiteren Schlag.

 

Wie sollen die ÖBB die erforderlichen Rückzahlungen erwirtschaften? Die Folge wird sein, dass der Bahn-Ausbau auf lukrative Strecken konzentriert wird. Aus wäre es kann mit dem wichtigen Ziel, konkurrenzfähiger Reisezeiten zwischen allen österreichischen Landeshauptstädten zu erreichen, auch auf den Relationen Linz-Graz, Salzburg/Innsbruck-Graz usw. Aus wäre es mit der Attraktivierung aller Regionalbahnen.

 

Ganz anders ist die Schweiz

 

In der Schweiz ist der Ausbau der Bahn-Infrastruktur durch öffentliche Finanzmittel und durch Mittel aus der LKW-Maut gesichert. Mit dem von allen politischen Ebenen mitgetragenen und auf 15 Jahre angelegten Projekt „Bahn 2000“ (erster Volksentscheid 1987) wurde und wird nicht nur die Infrastruktur mit einem Milliarden schweren Paket ausgebaut und modernisiert, sondern vor allem ein umfassender Taktfahrplan verwirklicht. Die Einführung eines Taktfahrplanes mit einfachen, raschen und verlässlichen Umsteigemöglichkeiten hat dazu geführt, dass in der Schweiz mit rund 2.150 Kilometern pro Person doppelt so viel mit der Bahn gefahren wird wie in Österreich.

 

Da die LKW-Maut in der Schweiz fast doppelt so hoch ist wie in Österreich und auf allen Straßen eingehoben wird, ist beim Güterverkehr der Verlagerungsdruck von der Straße in Richtung Schiene wesentlich größer als in Österreich.

 

Ohne öffentliche Finanzierung rechnet sich öffentlicher Verkehr nirgendwo

 

Das Bekenntnis der Politik zum ÖV lässt sich am besten daran messen, ob und wie viel die öffentliche Hand bereit ist, für das öffentliche Verkehrsangebot und für die dazu nötige Infrastruktur zu bezahlen.

 

Der geplante Brenner-Basistunnel ist ein typisches Beispiel einer ungeheueren Verschwendung öffentlicher Gelder im Dienste einer falschen Verkehrspolitik

   

Warum setzt sich Österreich nicht vehementer für eine EU-weite, schrittweise steigende LKW-Maut ein, damit die Zahl der LKW-Fahrten bzw. der gefahrenen LKW-Kilometer nicht mehr wächst, sondern abnimmt? Dann könnte man sich nämlich diesen Wahnsinns-Transit-Tunnel sparen!